Wie Schlichtungen Widerstandsbewegungen zerstören

Quelle:hambacherforst.blogsport.de
Ein Beitrag zur der Idee der Schlichtung des „Konfliktes zwischen RWE und Waldbesetzer_innen“ von der Partei der „Grünen“ aus Düren.
Dies ist eine von vielen Ansichten zum Thema „Schlichtung“, die es auf der Waldbesetzung gibt. Weitere Ansichten sind willkommen und können gerne gleichberechtigt neben diese gestellt werden.
Seit geraumer Zeit gibt es von Seiten der Politik verschiedene Versuche Schlichtungsverfahren im Hambacher Forst einzuleiten. Insbesondere im Laufe der letzten Monate haben sich diese Versuche intensiviert, u.A. wurde zu verschiedenen „Runden Tischen“ geladen. Der neueste Vorschlag der „Mediation im Stile von Stuttgart 21“ wurde von den Grünen des Kreises Düren an den Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) gerichtet. Was für Probleme und Schwierigkeiten mit solchen Schlichtungsverfahren einhergehen möchte ich im folgenden erläutern.

Widerstand in jedweder Form hat eine lange Tradition. Schon immer gab es Menschen, die bei Unterdrückung, Ungerechtigkeiten oder unnützen (Groß-)Projekten nicht einfach zugesehen, sondern sich aktiv gewehrt haben. Eine ebenso lange Tradition haben leider auch die Versuche der Herrschenden solche Widerstandsbewegungen zu zerstören. Neu ist nur die Art und Weise wie es geschieht – „Mediationen, Schlichtungen, runde Tische…“ werden die neuen Verfahren genannt. Bei diesen Verfahren wird eine falsche Gleichberechtigung und Entscheidungsfreiheit vorgegaukelt. Ein plakatives Beispiel hierfür wäre, dass zwar gemeinsam an einem „Runden Tisch“ darüber entschieden wird, welche Farbe die neue Parkbank haben soll – aber die eigentliche Forderung der Widerständischen, nämlich das gar keine Parkbank gebaut wird, komplett unter den Tisch gekehrt wird. Auf den Hambacher Forst übertragen hieße das, dass bei einer solchen Schlichtung zwar darüber diskutiert werden würde wie man denn am besten mit dem Kohleabbau weitermacht, aber unsere zentrale Forderung – den Kohleabbau zu stoppen – überhaupt nicht zur Diskussion stünde. Zusammengefasst besitzen Schlichtungsversuche – die nur das Ziel haben Widerstandsbewegungen im Sande verlaufen zu lassen – meist folgende Merkmale:
-> Gesprächsrunden werden von RegierungsvertreterInnen einberufen.
-> Sie wählen die SchlichterIn, die MediatorIn, die VersammlungsleiterIn aus. (Oder lassen nur eine engeschränkte Vorauswahl an Personen für diese Rollen zu.)
-> Die Themen und Besprechungspunkte werden von den MediatorInnen bestimmt.
-> Es existiert von vorneherein keine „Waffengleichheit“ zwischen beiden Seiten. (Es gibt bereits einen rechtlichen und/oder politischen Status quo, die Seiten haben unterschiedliche Möglichkeiten in Bezug auf Ressourcen wie Zeit, Geld, Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.)
-> Den beteiligten Personen und Gruppen wird kein Entscheidungsrecht in Bezug auf den eigentlichen Konflikt zugestanden.
All diese Schlussfolgerungen sind nicht einfach so aus dem Nichts gegriffen, sondern basieren auf Erfahrungen, die von bisherigen Widerstandsbewegungen gemacht wurden. Beispielsweise denen der Parkschützer*innen bei Stuttgart 21. Dort waren am schwarzen Donnerstag (Einem Tag an dem Demonstrant*innen massiv mit Wasserwerfen angegriffen wurden und dadurch schwere Verletzungen, wie den Verlust eines Auges, erlitten) zwischen 50.000 und 100.000 Menschen auf der Straße. Kurz darauf wurden Schlichtungsverfahren eingeleitet, die dazu geführt haben die Widerstände weitestgehend zum Erliegen zu bringen. Der damalige Schlichter, Heiner Geißler, CDU-Verkehrsminister von NRW, definierte seine Rolle als „Vermittler“ so, dass es nicht darum ging zwischen zwei Parteien zu vermitteln, sondern darum seine Seite des Projektes zu vermitteln. Er bestimmte damals darüber wer wann wie lange reden durfte und wie welche Argumente bewertet wurden. Von seinem „weisen“ Schlichterspruch, den damals auch die CDU so hoch bewertete, ist genau NICHTS umgesetzt worden (und alle wissen, dass es so bleiben wird). Letzteres war ebenfalls von Heiner Geißler so geplant: „Es war klar, dass daraus keine rechtlichen Bindung entstehen konnte.“ (2010) und auch das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied am 13.Februar 2012, dass der Schlichterspruch rechtlich nicht bindend ist.
Zudem wird durch eine Schlichtung versucht Widerstand auf zu spalten in „gute, friedliche Demonstrant*innen“ (die der Schlichtung zustimmen) und „böse, militante Aktivist*innen“ (die sich einer vermeintlichen Lösung widersetzen). Dies ist gefährlich, weil so Widerstandsbewegungen geschwächt werden und man bei solchen Aufspaltungen oft vergisst, dass der „Gegner“ nicht die anderen Aktivist*innen, sondern das jeweilige (Groß-)Projekt ist. Zudem wird durch die vorgegaukelte Gesprächsbereitschaft seitens RWE und Politik indirekt vermittelt, dass Aktivisten sich „vernünftigen“ Verhandlungen und Gesprächen verweigern, wenn nicht auf die Schlichtung eingegangen wird. Oder schlimmer noch, gar die Ergebnisse einer Schlichtungsrunde zwischen Vertretern von Industrie, Politik sowie einigen Personen aus dem Widerstand nicht anerkannt werden. Doch wo nie wirkliche Gesprächsbereitschaft war, da kann auch nicht auf ein Gespräch eingegangen werden. RWE geht es beim Tagebau Hambach nur darum, die eigenen Handlungen möglichst ungestört von lästigen Widerständen weiter zu führen, eine sogenannte Schlichtung wird niemals den Stop des Tagebaus Folge haben.
Und selbst wenn man in Erwägung ziehen würde, einer Schlichtung bei zu wohnen gäbe es immer noch die Frage, wie verbindliche Absprachen einiger weniger mit den herrschaftsarmen Strukturen auf der Wiese vereinbart werden könnte. Wir haben keinen Chef und keine Chefin. Jeder Mensch ist selbst verantwortlich für das was er tut. Und genau das fordere ich auch von RWE und Politik: Diese sollen Verantwortung dafür übernehmen, dass ihre Entscheidungen zu Recht Widerstand hervorrufen! Mir wäre es auch lieber, wenn ein Gespräch mit RWE genügen würde, um die Abholzung des Hambacher Forstes und die Fortführung des Braunkohletagebaus zu stoppen. Aber es wäre doch verdammt naiv, es bei einem solchen Gespräch zu belassen oder wieder zu einem Gespräch zurück zu kehren. Gerade jetzt wo die Widerstandsbewegung kontinuierlich am wachsen und erstarken ist. Und letzendlich zeigen die Schlichtungsvorschläge ja auch, dass unsere Art des Widerstands erfolgreich ist – sonst würden Politik, Polizei und RWE nicht alle möglichen Mittel ausschöpfen, um ihn einzuschläfern.
Wer mehr zu dem genannten Beispiel von Stuttgart 21 und anderen Schlichtungserfahrungen lesen möchte, dem empfehle ich das im Februar 2014 erschienene Buch „Strategische Einbindung: Von Mediationen, Schlichtungen, runden Tischen… und wie Protestbewegungen manipuliert werden.“ von Michael Wilk und Bernd Sahler. (Verlag Edition AV)