Klimaschützer appellieren vor Gericht an das Gewissen

Grevenbroich, 20.09.18. Im August 2017 hatten 150 Klimaschutz-Aktivist*innen in der Aktion „Kohle erSetzen!“ die Zufahrten zum europaweit zweitgrößten Braunkohlekraftwerk in Neurath für mehrere Stunden blockiert. Heute Mittag wurden vor dem Amtsgericht Grevenbroich zwei von ihnen dafür zu einem Bußgeld von jeweils 100€ verurteilt. Die Beschuldigten appellieren nun an die Öffentlichkeit, selbst für den dringend nötigen Kohleausstieg und den sofortigen Räumungsstopp im Hambacher Wald einzutreten…
Im Grundgesetz ist der Staat dazu verpflichtet, die Lebensgrundlagen zu schützen. „Wenn sich der Staat mit der Verschleppung des Kohleausstiegs gegen seine eigene Verfassung stellt, werden wir zum Stolperstein“, so der Beschuldigte Falko Berkemeyer (48) im Gerichtssaal. „Klimaschutz und damit der Kohleausstieg dulden absolut keinen Aufschub“, stellt Josef Berghold (65) als zweiter Beschuldigter klar. „Es brennt mir unter den Nägeln, die Zerstörung des Klimas, der Landschaften und der Dörfer durch die Kohleindustrie nicht länger stillschweigend hinzunehmen“, fährt er fort. „Es gibt vieles, was wir jetzt tun können. Wichtig ist es, nicht ohnmächtig zuhause zu bleiben, sondern selbst aktiv zu werden.“ Dafür gibt es in den kommenden Wochen viele Möglichkeiten, jetzt den gesellschaftlichen Wandel einzufordern. Seit gestern besteht ein Bildungs- und Übernachtungscamp in Manheim im Osten des Hambacher Waldes. Täglich sind hunderte Menschen an der Mahnwache im Süden des Waldes, der vom Braunkohleabbau durch RWE bedroht ist. An jedem Sonntag finden tausende Menschen zu den sogenannten Waldspaziergängen des Naturpädagogen Michael Zobel protestierend in den Hambacher Wald. Für den Samstag, 6. Oktober ist rund um den über 12.000 Jahre alten Wald eine Großdemo der Umweltverbände angekündigt.
„Wenn wir Aktionen des Zivilen Ungehorsams begehen und damit gewisse Gesetze brechen, tun wir dies nicht gegen, sondern zum Schutz unserer Gesellschaft“, ergänzt Falko Berkemeyer. „Wir katapultieren uns momentan trotz all der wissenschaftlichen Warnungen blind in eine Katastrophe hinein, welche die weltweiten Lebensgrundlagen bedroht. Die Frage, ob wir unsere Zukunft zerstören möchten oder nicht, gehört nicht in eine Kommission voller Energielobbyisten ausgelagert. Es ist eine Frage, auf die wir als Gesellschaft eigentlich nur eine einzige Antwort finden können.“ Zahlreiche Studien zeigen, dass ein heutiger Kohleausstieg machbar ist.
Das Verfahren dreht sich um den Vorwurf der Teilnahme an einer aufgelösten Versammlung. Die Polizei gibt an, die Sitzblockade damals formal aufgelöst zu haben, während die Aktivist*innen auf den Zufahrten zum Kraftwerk sitzen blieben. In der Folge erhielten einige von ihnen Bußgeldbescheide in Höhe von 200 bis 500 Euro, gegen die Einspruch eingelegt wurde.
Die Aktion fand im Zusammenhang mit dem Klimacamp und den Kohle-Aktionstagen im Rheinischen Braunkohlerevier vom 24. bis 29. August statt. Neben Kohle erSetzen! blockierte dort Ende Gelände die Kohlebahnen und einige der riesigen Tagebaubagger. Weitere Kleingruppen setzten sich im Rahmen der Unterstützungskampagne „Zucker im Tank“ für eine radikale Gesellschaftswende ein. Eine Menschenkette mit 3.500 Teilnehmer*innen zog eine Rote Linie für den Tagebau Hambach entlang der alten Autobahn A4. Die Aktionen erfuhren großes Medienecho und bereiteten so den Boden für die heutige Zuspitzung des Konfliktes rund um den Hambacher Wald.
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